UND WOHER DAS GANZE YOGA UND WARUM

Graz 2014, Österreich

Irgendwann schrie mein Körper geradezu nach Ausgleich. Sport jeglicher Art seit der 5ten Klasse hinterlässt seine angenehmen und unangenehmen Spuren. Ständige sportliche Beanspruchung ließ meine Muskeln verkürzen an und vor allem im unteren Rücken hatte ich permanent Schmerzen. Ärzte machten das ISG, das Iliosakralgelenk dafür verantwortlich. Typisch Running. 60 km Wochenstrecke Joggen über Jahre hinweg sind ein respektables Maß. Wer allerdings schonmal versucht hat, einem Sportler Schonung zu verordnen, weiß um die Unmöglichkeit dieser Aufgabe. Yoga und Sport waren damals noch kein Thema für mich.

Sinngemäß starte ich den ersten Beitrag meines ersten Blogs mit dem Joggen. Mit dem Joggen hat alles begonnen. Ausdauersportler oder ich sind und waren nie bekannt dafür, Ihre Füße hinter den Ohren verknoten zu können. Wer mich kennt weiß, dass ich in Graz in Österreich meinen Sportbachelor absolviert hatte. Graz im Übrigen eine wunderschöne Stadt mit italienisch anmutendem Lebensgefühl. Entsprechend meinem inneren Drive, jede Bewegung und jede Sportart wenigstens einmal ausprobiert zu haben, stieß ich eines Tages zu den Yogis des City Yoga Studios in Graz.

Ich behaupte bis heute, bereits nach meiner ersten Yogastunde gemerkt zu haben, was das bewusste und tiefe Dehnen nahezu aller muskulären Partien nacheinander für Auswirkungen auf meinen Mobilität hatte; vor allem aber merkte ich, wo es noch ungekannten Aufholbedarf gab. Der Erfolg kam schnell, da die Übungen leicht umzusetzen waren und sehr gut in meinen Alltag passten. Nach unkomplizierter Integration in meinen Alltag nach dem Aufstehen, vor dem zu Bett gehen, weil ich merkte, wie mein Körper danach rief. Ich spürte wie ergänzend sinnvoll es ist, ausgiebige yogaähnliche Dehnsequenzen auch direkt nach dem Joggen einzuplanen. Der unteren Rückenschmerz ist heute passé. Die Iliosakralgelenke, von denen die Ärzte sprachen, bekamen offensichtlich, wonach sie verlangten.

ERFOLG

Noch etwas anderes geschah. Langsame und bewusst angeleitete Bewegungen formen anders das neuronale Ansprechen und Anweisungen durch den Geist als schnellreaktive, intuitive Sportarten. Kein Team, kein Schläger, kein Ball erweitert deinen Spielraum. Beim Yoga lernte ich Körpergrenzen neu kennen und vorsichtig mit ihnen zu spielen.

Meine körperlichen Grenzen und ich sind inzwischen ziemlich gute Freunde geworden. Ich habe beispielsweise einen kleinen Umfang in der Beweglichkeit in meinen beiden Hüftgelenken, obwohl ich wortwörtlich täglich daran arbeite. Ich habe im Yogaflow Spaß daran entwickelt, mit diesem an meinen Grenzen zu arbeiten. Dafür mache ich mich gut in haltenden Übungen, weil aufgrund meiner anderen Sportarten mein Körper erwartungsgemäß eine hohe Grundfitness mitbringt. Dem Yoga ist das egal. Es arbeitet mit dir immer genau dort, wo du die Beanspruchung spürst. Und dort wo du etwas von den Yogaübungen spürst, beginnt auch die Reise.

FITNESSTRAINING MIT GEWICHTEN

Seit Graz ist kein Tag vergangen, an dem ich kein Yoga mehr gemacht habe. Obwohl oder gerade weil der Schmerz des unteren Rückens mit der Übung nachließ, offenbarte sich der obere Rücken insbesondere zwischen den Schulterblättern als nächst schwächere Partie. Obwohl ich keine sitzende Tätigkeit ausübe oder ausgeübt habe, quälten mich die Spannung von Zeit zu Zeit sehr. Kiesertraining half immer ein wenig, aber für ein Fitnessstudio war ich zu inkonsequent, das war einfach nicht mein Ding. Es vergingen Jahre, bis ich mich dazu durchring, meinen Rücken dezidiert zu bearbeiten.

Als Sportwissenschaftlerin weiß ich eigentlich um die Wichtigkeit, Cardioeinheiten mit ausgleichendem Muskelaufbautraining zu ergänzen. Das regelmäßige Heben von Gewichten fand erst zusammen mit meiner Beziehung den würdigen Einzug in meine Trainingsroutine. Mein Freund und ich trainieren bis heute gemeinsam mit verschiedenen freien Gewichten, Turnringen und TRX Schlingen schätzungsweise 2x pro Woche. Wir haben mittlerweile sogar eine Klimmzugstange in die Wand betoniert, um gezielt den Rücken beanspruchen zu können. Ziehende Übungen jeder Art sind hierfür zielführend. Dazu ein andermal mehr.

Auch hier hat sich unter Beweis gestellt, dass in Kombination mit Yogaeinheiten die Kraftzunahme schneller erfolgt, der Bewegungsradius trotz erwartbarer Weichteilhemmung durch muskulären Zuwachs weit bleibt, der Muskelkater geringer ausfällt, dadurch dass der Körper vielseitig beansprucht wird.

Ob Yoga vor oder nach dem Workout ist Geschmacksache, Hauptsache jeder entwickelt nur leichte Routinen für sich und kombiniert sie für sich im Anschluss gewinnbringend. Ich persönlich baue am liebsten nach meinem Workout mit schweren Gewichten á 30 Minuten eine knappe Yogaroutine á 15 Minuten ein. Ich liebe es zu spüren, wie ich dadurch tief herunterfahren, loslassen kann und sich die in Muskeln entstandene Spannung abbaut. Ich wähle Yogaübungen, die vor allem die Atmung beruhigen und suche die tiefe Dehnung. Eine Viertelstunde ist ausreichend und effektiv, mehr sind natürlich immer erlaubt. Wer dabei eine Runde knacken will, kann auch das gerne tun.

KAMPFSPORT

Ich entwickelte viel Spaß am Krafttraining. Ich wurde wieder etwas stärker, mein Körper etwas schwerer. Mein Körper fühlt sich heute sehr stabil an. Ich bekam wieder Hunger auf mehr Kraft, Schnellkraft. Zusammen mit meinem Freund, der großer Fan der Kampfsportschule ist, schnupperte ich JiuJitsu, die Kunst des Bodenkampfes, die als Teilbereich von MMA/Mixed Martial Arts oder als eigenständige Sportart trainiert werden kann. Ich war zwar gnadenlos überfordert, aber beeindruckend war es allemal.

Ein bisschen erinnerte es mich an die Judoeinheiten während meiner Schulzeit, als ich als 173 cm große Frau immer mit den Jungs trainieren durfte/musste, und aufgrund des fehlenden Gewichts gnadenlos unterlag. Nach dem JiuJitsu-Training wurde von einer Yogalehrerin vor Ort eine Yogastunde angeboten, womit ich dort nicht gerechnet hatte. Mein Freund, der dabei war, bezichtigte mich der Absicht, deswegen dieses Studio rausgesucht zu haben, dem war tatsächlich nicht so. Ausnahmslos alle Kämpfer sind geblieben, denn jeder verstand, wieso: neben mentaler und Körperlicher Abriebfestigkeit sind hohe Flexibilität, Balance und Kraft essentielle Fähigkeiten, die man im Kampfsport braucht. Yoga war hierfür natürlich prädestiniert.

Kampfkünste schulen Fokus. Das Selbstbewusstsein bleibt ebenfalls nicht auf der Strecke. Auf eine alternative Art im Vergleich zum Yoga ist die Arbeit im Kampfsport gleichermaßen körperbewusst und mental fordernd. Im Nachhinein wundert es mich nicht, wieso Yogastunden wohl öfters in Kampfsportstudios zu finden sind. Lange vor der deutschen Nationalmannschaft im Fussball nahmen Kampfsport-Profis die Yogapraxis in ihre Trainingseinheiten mit auf.

JiuJitsu wich dem Boxen. Das steht mir besser, denn hier unterliege ich nicht so sehr im Gewicht. Ich darf mich mittlerweile Mitglied nennen im Champion Gym Augsburg und bin hellauf begeistert vom unfassbar intensiven Boxtraining, ein geiler Kontrast zum Yoga. Als Sportwissenschaftlerin fallen mir bis heute die lange Aufwärmphase des zweistündigen Trainings im Vergleich zu einer eher schmal ausfallenden Dehn-/ Cooldownphase am Ende auf. Ich für meinen Teil profitiere auch hier von ca. 15 Minuten Yoga hintenan, um dieses Boxtraining weiter sinnvoll zu ergänzen.

VOLLEYBALL, FUSSBALL UND DAS RAD

Nach Corona begann übrigens meine erste vollwertige Beachvolleyball-Saison in Augsburg. Die ersten beiden Male werden wie gewohnt die Arme knallerot. Wenn kein Trainer dabeisteht und mir auf die Finger kuckt, macht sich fehlende Dehnung nach dem Sport auch bei mir bemerkbar, wobei ich es grundsätzlich vermeide, das auf mein Alter zu schieben. Das nächste Mal also vorher die Schultern mit Händen kreisen lassen und bequem warm machen, nach dem Sand beanspruchte bodyparts wie Knie, Schultern, Hüfte aufdehnen. Mach das mit oder ohne Yoga, mit Yoga wäre es mir natürlich lieber, aber mach es. Es hat sich einfach bewährt.

Mehr Beispiele aus dem Sport? Radsport. Eine zyklische Sportart. Extensive Leistungsumfänge, Intervalle und kraftzehrendes Ansteigen am Berg sind charakteristisch. Das Team eines Bekannten musste feststellen, wie durch ihr intensives Training sich sukzessive Wehwechen einschleichen: Verspannte Schultern und Nackenpartien, enge im Brustkorb und den Hüften, verkürzte Hamstrings, Schmerzen in der LWS. Sie suchten nach Ausgleich verschiedener körperlicher Defizite. Ich freute mich natürlich sehr, als ich gebeten wurde, angepasste Yogaübungen für das Radsportteam zusammenzustellen. Mittlerweile ziert das Logo meines LE MOUV Yogastudios Augsburg das Trikot der Bolzencrew, worauf ich sehr stolz bin.

Seit Jürgen Klinsmann ist sogar der Profifußball auf den Yoga-Zug aufgesprungen. Yogaroutinen stehen fix im Tagesprogramm und werden dort primär regenerativ angewendet. Ziel ist es darüber hinaus, den Bewegungsumfang der Profis auszuweiten und durch ungewohnte Koordinationsübungen körperliche Stabilität mit auszubauen.

OBACHT.

Ich selbst bin natürlich Yoga-befangen. Ich bin großer Fan davon, jeder Person etwas Yoga mittlerweile als mehrfach ausgebildete Yogalehrerin beizubringen. Ich glaube daran, dass jeder von dieser Lehre stark profitieren kann, unabhängig von Vorerfahrung, sportlich, oder unsportlich, groß oder klein, dick oder dünn. Ich habe genug Erfolg bei allen verfügbaren Körpertypen gesehen und habe mich immer wieder aufs Neue beeindrucken lassen. Männer, die schwitzen, als wäre es ihr erster Tag beim Crossfit. Leichte Frauen, die nach Yogaerfahrung mühelos Ihr eigenes Körpergewicht stemmen. Schwere Frauen, die sich achtsam biegen, wie ich es heute noch nicht kann.

Es ist nicht meine Intention, alle Menschen dieser Welt zum Yogamachen zu bewegen. Meine persönlichen Erfahrungen sollen Anstoß geben, Bewegung in Ergänzung zu denken, neu zu denken, sportliche Alternativen in Überlegungen mit einzubeziehen. Ich freue mich natürlich, wenn wir uns eines Tages in diesem Sinne begegnen. Ihr findet mich in der Maximilianstraße 56 in der Augsburger Innenstadt oder online über euren Bildschirm zuhause.

Bis dann!
Eure Leni.
Januar 17, 2023 — Anna Lena Heim